„Grüner Wasserstoff ist das Öl der Zukunft“

Vertreter aus Wissenschaft und Industrie gründen in Ulm den Verein „Global Energy Solutions“ zur Erforschung synthetischer Kraftstoffe.

In den vergangenen zehn Jahren wurden in Afrika so viele Kohlekraftwerke gebaut, wie in Europa in den letzten 100 Jahren. Doch damit ist die Entwicklung noch lange nicht beendet. Weltweit entstehen so viele und größere Kraftwerke, die Kohle zur Stromgewinnung verbrennen, dass an das 1,5-Grad-Klimaziel nicht mehr zu denken ist. Es sei denn, es gelingt, die Technologie des grünen Wasserstoffs so zu ent-wickeln, dass die Energieversorgung in großen Teilen klimaneutral wird, ohne dass große Teile der Welt verarmen.

Nichts Geringeres hat sich der Verein “Global Energy Solutions” zum Ziel gesetzt, der am Donnerstag im Ulmer Rathaus gegründet wurde. Treibende Kraft ist das Ulmer Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) mit Professor Franz Josef Radermacher, der Unterstützung aus Politik und Industrie gewinnen konnte.

Technisch ist vieles möglich

In groben Zügen ist die Strategie für die Energieversorgung der Zukunft klar sichtbar. Dazu muss in gigantischen Mengen grüner Wasserstoff produziert werden, den der Staatssekretär im Bundesministerium für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Norbert Barthle, das “Öl der Zukunft” nennt. Technisch ist die Aufspaltung von Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff längst erforscht.

Allerdings ist dazu ein großer Energieeinsatz notwendig, weshalb es sich anbieten würde, den Wasserstoff in Ländern mit großen Sonnenwüsten zu gewinnen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit zusammen mit der marokkanischen Regierung an einem entsprechenden Projekt. Dort soll in zwei Jahren für 700 Millionen Euro eine Anlage für 100 Megawatt Elektrolyseleistung errichtet werden. Etwa die Hälfte der Investition wird vom BMZ über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert.

Radermacher will mit seinem Verein jetzt dazu beitragen, dass in drei bis vier Jahren eine 5000 Megawatt-Anlage gebaut wird. Diese Menge gewonnener Wasserstoff könnte in Deutschland etwa zehn Prozent Treibstoff ersetzen. Die Idee ist, dem so gewonnenen Wasserstoff CO2 zuzusetzen, woraus Methanol entsteht, das dann wiederum die flüssige Basis für Benzin und Diesel wäre.

Dieses Verfahren hätte zwei Vorteile. Zum einen könnte das Kohlenstoffdioxid in Großanlagen (Kraftwerke, Zementwerke, Stahlwerke) abgefangen werden, was der Atmosphäre Carbon entzieht. Und zweitens müsste für die Verwendung dieser klimaneutralen Kraftstoffe nicht ein Auto umgerüstet werden. Die ganze Flotte an Pkw und Lastwagen könnte von heute auf morgen ebenso genutzt werden wie die vorhandene Infrastruktur – weltweit.

Intellektuelle Durchdringung

Für die kommenden Jahre hat sich der Verein zwei Aufgaben gesetzt. Zum einen will er gründlich nachdenken, das Thema intellektuell durchdringen, wie Radermacher sagte. “Wir haben die Tendenz, nicht ausreichend lange und nicht gründlich genug nachzudenken”. Außerdem, sagte er, könne es sich die Weltgemeinschaft nicht erlauben, beim Klima etwas Falsches zu machen.

Dass große Industrieanlagen beispielsweise in Ländern wie Marokko oder Tunesien entstehen können, findet Radermacher nicht problematisch. Allerdings müssten Investoren gefunden werden, weshalb er sich mit “Global Energy Solutions” zum Ziel gesetzt hat, die Fragestellung so gut zu durchdenken, dass Politik und Industrie davon überzeugt sind, mit dieser Technologie Gewinne erzielen zu können. Radermacher: “Man muss verstehen, dass es funktioniert.”

Der Verein mit Sitz in Ulm an der Donau besteht aus einem dreiköpfigen Vorstand und einem Kuratorium mit elf Personen. Zum Vorsitzenden gewählt wurde Christof von Branconi (früher Lurgi AG, Rolls Royce Power Systems, heute Indeco Consulting). Sein Stellvertreter ist Franz Josef Radermacher (FAW Ulm, Senat der Wirtschaft, Club of Rome). Schatzmeister: Hans-Peter Sollinger (Verwaltungsrat Bartholet Maschinenbau). Für das Kuratorium angefragt sind beispielsweise der frühere Umweltminister Prof. Klaus Töpfer, Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Werner Schnappauf und Prof. Jürgen Rüttgers.

Quellen:
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