Im Wahlkampf hatte die CDU die Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke in 2023 noch als „Fehlentscheidung“ kritisiert. Man wolle die Wiederinbetriebnahme prüfen. Nach der Bildung der neuen Bundesregierung ist die Lage eine andere. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hält nichts von einem Wiedereinstieg. Die Gründe: mangelndes Vertrauen in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschland hat sich aus allen internationalen Gremien zurückgezogen und fokussiert sich nur noch auf die Kernfusion. Gleichzeitig importiert Deutschland nach wie vor Nuklearstrom aus dem Ausland.
Jenseits der deutschen Grenzen gewinnt die Nuklearenergie an Dynamik und Akzeptanz. Belgien verlängerte jüngst die Laufzeit seiner Atommeiler und will auch neue bauen. Italien plant, den Atomausstieg zurückzunehmen. Belgien, Italien, Dänemark und Rumänien wollen in die Entwicklung von SMR (small modular reactors) einsteigen.

Solar- und Windstrom sind volatil und nur sehr eingeschränkt grundlastfähig. Gleichzeitig schreitet die Digitalisierung mit großen Schritten voran, angetrieben von KI. Für deren klimaneutrale, unterbrechungsfreie und möglichst exportunabhängige Stromversorgung setzen Experten auf SMR als ideale Energiequelle. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) misst der Technik eine Schlüsselrolle bei der Deckung des zukünftigen Strombedarfs im Digitalbereich bei. Das haben auch die führenden Industrieländer, die Kernreaktoren betreiben, erkannt. In mehr als 30 Ländern wird an mehr als 80 SMR-Projekten mit unterschiedlichen Technologien gearbeitet. Neben Mitteln aus der öffentlichen Hand fließen zunehmend private Gelder in die SMR-Technik, denn eine schnelle Lösung für die Erzeugung von klimaneutralem und grundlastfähigem Strom bei relativ niedrigen Investitionen kann für Firmen aus dem Digitalbereich entscheidende Wettbewerbsvorteile bieten.
Deutschland hat sich verpflichtet, seinen Atommüll sicher zu entsorgen. Die SMR-Technik kann dabei helfen. Mit bestimmten SMR-Modellen (sogenannten advanced small modular ractors, ASMR) kann Atommüll als Brennstoff genutzt und damit entsorgt werden. Durch Umwandlung (Transmutation) dieser Brennstoffe können potentiell die Volumina verkleinert und die Abklingzeit auf weniger als ein Promille gegenüber konventioneller Entsorgung reduziert werden.
Deutschland ist aktuell bei der Entwicklung von SMR außen vor. Und das, obwohl SMR das Potenzial beinhalten, zu einem strategischen, wettbewerbsentscheidenden Baustein unserer klimaneutralen und unterbrechungsfreien Stromversorgung zu werden und den Weg zu vielen neuen Anwendungen zu eröffnen. Der Energiebedarf für die Digitalisierung wird ohne kaum zu decken sein.
Deutschland sollte, ähnlich wie für die Kernfusion, die Regelungen und Voraussetzungen schaffen, um die Potenziale von SMR erschließen zu können.
Zudem sollte Deutschland für ein neues Engagement im nuklearen Bereich auch die Basis für den Wissensaufbau und die Entwicklung qualifizierter Fachkräfte schaffen.
Hier noch ein Hinweis auf weiterführende Beiträge:
- Ein gemeinsames Editorial von GES und FAWn, in dem wir unsere Haltung zur Nuklearenergie verdeutlichen.
- Eine Einführung: die Bedeutung von SMR für die Energieversorgung weltweit und speziell für Deutschland. Von Manfred Schroeder
- Einen detaillierten Bericht mit Hintergrundinformationen zu SMR. Von Manfred Schroeder und Bernhard Leidinger