GES steht im Austausch mit einem indischen Energieexperten: Manoj Agarwal lebt in Indien und verfügt über langjährige Erfahrung in der Energiebranche. Er war Chief Operating Officer (COO) eines der größten indischen Energieversorgungsunternehmen im Privatsektor. Heute ist er freier Berater. In seinen Publikationen stellt er die offizielle Position der indischen Regierung dar. Dass der indische Weg in Richtung Net Zero von besonderer Bedeutung für das Erreichen der globalen Klimaziele ist, ergibt sich aus der schieren Größe des Landes und seiner wirtschaftlichen Dynamik. Nicht in Deutschland, nicht in Europa wird sich die Klimafrage entscheiden, sondern in Ländern wie Indien.
Manoj Agarwal hat im Rahmen eines GES Workshops Anfang Februar einen Online-Vortrag über das indische Energiesystem gehalten, den wir in diesem Newsletter dokumentieren.
Es herrscht Aufbruchstimmung auf dem indischen Subkontinent, die Wirtschaft wächst derzeit jährlich um sieben Prozent, erwartungsgemäß auch über die nächsten Jahre. Indien ist heute mit 1,4 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde und auch dieses Wachstum wird anhalten. Die Nachfrage nach Strom ist enorm, sie kommt von abgelegenen Dörfern ebenso wie von brodelnden Megacities, wie Manoj Agarwal sagt.
Strom wird in Indien zu 76 Prozent mit Hilfe fossiler Kraftwerke erzeugt, 21 Prozent stammen aus regenerativen Quellen und drei Prozent aus Nuklearenergie. Das Stromsystem verursacht etwa 40 Prozent der gesamten CO2-Emissionen des Landes.
Trotz massiv steigender Energienachfrage hat sich Indien bereit erklärt, bis 2070 Net Zero zu erreichen. Dabei setzt die Regierung auf einen drastischen Rückgang von fossilen Energieträgern und einen massiven Ausbau von Erneuerbaren. Deren Potenziale sind dort deutlich ergiebiger als etwa in Deutschland. Das gilt vor allem für die Photovoltaik, die nutzbare Sonneneinstrahlung ist annähernd doppelt so groß wie in Mitteleuropa.
Auch die indischen Energieexperten wissen, dass ein Energiesystem, das zu großen Teilen auf Wind und Sonne basiert, die Volatilität des Stromangebots zu akzeptablen Kosten managen muss – weil die Sonne auch dort nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht. GES empfiehlt in diesem Zusammenhang eine zweite „Säule“ aus zuverlässig steuerbarer Energie, zum Beispiel fossile Kraftwerke mit Carbon Capture. Der offiziellen indischen Positionen zufolge wird die Volatilität mit Hilfe Batteriespeichern beherrschbar sein. Dieser Weg setzt allerdings stark fallende Preise für Speichertechnologien voraus, als Anhaltspunkt eine Halbierung des heutigen Kostenniveaus von bis zu zwei Rupien (0,02 Euro-Cent) pro kWh und auch einen hinreichenden Zugang zu kritischen Rohstoffen für Batterien. Das ist den indischen Planern bewusst. Die Erreichung der Kostenziele wird in einem preissensiblen Markt wie Indien eine Voraussetzung dafür sein, dass der Weg zu Net Zero 2070 beschritten werden kann.
Hier geht es zur Dokumentation des Vortrags von Manoj Agarwal: