Flüssiger Strom

Der schweizer Unternehmer Urs Weidmann setzt auf Methanol als nachhaltigen Kraftstoff

von Bert Beyers

Urs Weidmann, Foto: Bert Beyers

Urs Weidmann hat eine Mission. Mit seiner Firma Silent-Power will er Methanol als Energieträger zum Durchbruch verhelfen und damit die Methanolwirtschaft realisieren. „Zuerst in der Schweiz und dann, wenn’s geht, weltweit.“ Diese Idee trägt Weidmann nun schon 40 Jahre mit sich herum. Damals arbeitete er als junger Wissenschaftler am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz. Die Frage war: Was ist der optimale synthetisch hergestellte Kraftstoff?

Die Kollegen setzten voll auf Wasserstoff. Weidmann war der Auffassung: „Das wollen die Leute nicht.“ Weil das Handling des leichtesten Atoms im Periodensystem so aufwendig und schwierig ist. Wasserstoff ist ein äußerst flüchtiges Gas und muss unter hohem Druck gelagert und transportiert werden. Benzin dagegen wäre fast ideal, findet Weidmann noch heute: „Sie können Ihr Auto auch in Sibirien stehen lassen. Der Tank ist am nächsten Morgen nicht eingefroren.“ Immerhin, Benzin und Diesel haben sich weltweit als Kraftstoffe durchgesetzt. Allerdings ist Benzin umweltschädlich und riecht unangenehm, findet Weidmann. Nicht zuletzt: Es ist ein fossiler Treibstoff mit negativer Klimawirkung.

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Schon vor 40 Jahren hat der heute 69-Jährige deshalb auf Methanol gesetzt, das einfachste Molekül aus der Stoffgruppe der Alkohole, mit der Formel CH3OH. Eine klare, farblose, entzündliche Flüssigkeit mit leicht alkoholischem Geruch, flüssig auch bei normalen Temperaturen und normalem Umgebungsdruck. Methanol mischt sich mit vielen organischen Lösungsmitteln und in jedem Verhältnis mit Wasser. Würde ein Tanker mit Methanol havarieren, würde sich das Methanol sofort mit dem Meerwasser verdünnen und verdunsten. Dabei ist das Methanol-Atom sehr stabil, über hunderte von Jahren. Trinken sollte man Methanol allerdings nicht, die Substanz ist giftig, wie alle Alkohole, selbst der sogenannte Trinkalkohol.

„Wir haben viele Produkte auf Lager für den Fall, dass Putin Ärger macht und den Leuten das Gas abdreht.“

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Mit Anerkennung spricht Weidmann von George A. Olah. Der in Ungarn geborene Wissenschaftler entwickelte in den USA die Grundlagen der Methanolwirtschaft und erhielt 1994 den Nobelpreis für Chemie. Weidmann will Olahs Therorie nun „in die Gesellschaft tragen, die Leute schulen und entsprechende Geräte anbieten“. Nach Olah kann man Methanol aus Strom, Wasser und CO2 synthetisieren. Methanol wird heute in großem Maßstab aus Kohle hergestellt, also fossil. Nach Rohöl ist es die meist gehandelte chemische Grundsubstanz. Aus Methanol werden zum Beispiel Medikamente, Farbpigmente, Kosmetikartikel oder Kunststoffe produziert.

China ist der größte Methanolproduzent der Welt, meist entsteht es durch Kohlevergasung. Weitere Großproduzenten sind Katar und Trinidad, auch dort wird Methanol aus fossilen Quellen gewonnen. Täglich sind mehrere große Tanker von Katar nach Rotterdam unterwegs. Aus Katar und Trinidad bezieht Weidmanns Unternehmen auch das meiste Methanol. Mit CO2-Zertifikaten neutralisiert ist das „schwarze“ Methanol für Weidmann ein umweltfreundlicher Kraftstoff. Silent-Power kauft aber auch synthetisches Methanol, und zwar aus Skandinavien. Dort wird es zum Beispiel mit Hilfe von Produktionsabfällen aus der Papierindustrie hergestellt. „Spätestens jetzt sind viele Anlagen im Bau und spätestens nächstes Jahr gibt es dann genügend synthetisches Methanol“, so Weidmann. Dieses Methanol kann nachhaltig hergestellt werden: aus Wasser, CO2 und Strom, ganz nach dem Rezept von George Ohla. Power to Liquid, kurz: flüssiger Strom.

Weidmann war viele Jahre bei Schweizer Großbanken tätig, unter anderem im globalen Investmentbanking. Zudem war er Projektmanager für geothermische Kraftwerke in den USA. Aber das Thema Methanol hat ihn nie losgelassen. In Aserbaidschan sollte die modernste Anlage für konventionell erzeugtes Methanol stehen, erfuhr Weidmann vor einigen Jahren. Die wollte er sich anschauen. Sie stand in einem militärischen Sperrgebiet. In Aserbeidschan wurde er gefragt, ob er sein Wissen über Methanol nicht weitergeben wolle. Und so kam es, dass der Schweizer Banker Professor für Energiewirtschaft an der Universität von Baku wurde. „Eine wundschöne Stadt, das hat sich gelohnt.“

Schließlich hat Weidmann im Jahr 2002 im Kanton Zug die Silent-Power AG gegründet. Dabei setzt er auf die CO2-neutrale Methanol-Wertschöpfungskette und entwickelt seitdem das Unternehmen zum Energiedienstleister weiter. In der Lobby der Firmenzentrale in Cham am Zuger See steht ein mobiles Heizgerät, das warme Luft erzeugt. Im vergangenen Winter wurde es in verschiedenen Zirkuszelten eingesetzt – natürlich betrieben mit Methanol. „Das riecht nicht nach verbranntem Öl oder nach Holzpellets.“ Daneben gibt es das Minikraftwerk Econimo. Das kleinere Modell liefert 100 Kilowatt Strom und 200 Kilowatt Wärme und kann Mehrfamilienhäuser mit bis zu 50 Wohnungen versorgen. Das große Modell liefert 1700 Kilowatt Strom und 4500 Kilowatt Wärme. „Das sind dann zwei große Container aufeinandergestapelt. Die werden zum Beispiel von der Telekom in der Schweiz eingesetzt. Und vom Schweizer Militär.“

„Methanol ist wie Lithium oder ein Pumpspeicherwerk eine Möglichkeit, elektrische Energie zu speichern.“

Urs Weidmann, Foto: Bert Beyers

Nun hat Silent-Power auch noch einen Methanol-Heizkessel für den privaten Gebrauch auf den Markt gebracht, wiederum in zwei Größen, mit 10 und 45 Kilowatt Leistung. „Wenn die Leute im nächsten Winter nicht mehr warm duschen können, können sie anrufen und innerhalb von zwei Tagen wird die Heizung installiert“, sagt Weidmann. „Das wird dann geliefert mit 3000 Litern Methanol, das reicht bis zum nächsten Mal.“ Dabei verbrennt Methanol rückstandsfrei, ohne Ruß. Und anders als bei Heizöl müssen Methanol-Tanks auch nicht regelmäßig gereinigt werden, anders als beim Heizöl bilden sich am Boden keine Rückstände, die den Brenner verstopfen.

Mit Methanol kann man auch PKW betanken. Silent-Power hat einen VW Beetle auf Methanol umgerüstet. Die Fahreigenschaften veränderten sich dadurch nicht. Allerdings kann der Methanol-Beetle mit einer Tankfüllung weniger weit fahren als ein Benzin-getriebenes Fahrzeug, nur etwa 60 Prozent der Strecke. „Wenn Sie die Kompression des Motors heraufsetzen, was bei Methan möglich ist, dann kommen Sie gleich weit oder sogar noch etwas weiter“, sagt Weidmann. Es gibt solche Motoren. Etwa beim Indy Car Racing in den USA: Dort laufen die Fahrzeuge mit Methanol oder Ethanol. Und in China ist eine 15-prozentige Zumischung von (fossil erzeugtem) Methanol zu Benzin weit verbreitet.

Urs Weidmann, Foto: Bert Beyers

„Der Markt bestimmt, wieviel synthetisches Methanol hergestellt wird, entsprechend der Nachfrage.“

Weidmann hat noch eine weitere Idee, die er seit mehr als 20 Jahren verfolgt. Er hält die Patente für eine Technologie, die Methanol chemisch in Strom verwandelt, und dies ganz ohne bewegliche Teile. Der TPV-Wandler (TPV: thermophotovoltaisch) nutzt spezielle Photovoltaikzellen, die nicht auf Sonnenlicht hin optimiert sind, sondern auf zwei Frequenzen im infraroten Bereich. Dabei wird Methanol nicht verbrannt, sondern katalytisch zersetzt. Diese Lösung sei deutlich effizienter und auch billiger, als Methanol im Motor zu verbrennen. Immerhin liegt der Wirkungsgrad des TPW-Wandlers laut Weidmann bei etwa 48 Prozent. Das ist deutlich mehr als beim Benzin- oder Dieselmotor. Den mittels Photovoltaik erzeugten Strom will Weidmann einer Pufferbatterie zuführen und damit ein Elektroauto antreiben. Mit dieser Lösung könnten Elektrofahrzeuge große Reichweiten erreichen, denn die Batterie wird ständig durch chemisch erzeugten Strom nachgeladen. Weidmann träumt davon, dass Methanol eines Tages überall gekauft werden kann. „Eine Tankstelle haben Sie in einem Tag umgebaut. Es braucht nur andere Pumpen.“

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